Effektiv sowie effizient Arbeiten durch Keyuser

Dieser Fachartikel der Autoren Mag. Christian Gasperi und Markus Rotter, MA ist Teil der Artikelserie zum Thema "From Chaos to Organization: Einführung eines BICC in einem KMU".

Um eine Unternehmung erfolgreich voranzubringen ist es nach Meinung der Autoren zum einen wichtig das Richtige zu machen (=Fokus auf Effektivität) bzw. im Nachgang dann diese Dinge richtig zu machen (=Fokus auf Effizienz). Dieser Artikel wird nicht den Unterschied zwischen Effektivität und Effizienz beschreiben (eine kurze Erläuterung finden Sie hier) sondern wird sich auf das notwendige Zusammenspiel konzentrieren und wie man es erreichen kann.

Zuerst beschreibt dieser Artikel die Arbeitsweisen in einigen Klein- und Mittelbetrieben (KMU) in Österreich, welche die Autoren direkt aus erster Hand oder durch Informationsaustausch in Erfahrung gebracht haben. Danach werden eine mögliches Konzept zur Verbesserung der Situation und notwendige Vorarbeiten zur Implementierung beschrieben, der Artikel schließt mit der Sicherstellung der Nachhaltigkeit.

IST-Zustand in vielen Organisationen

Zur Beschreibung wird hierbei die Analogie einer Baustelle gewählt, da diese umgelegt den Sachverhalt auf eine abstraktere Ebene bringt und Lücken im Prozess besser darstellt.

Eine Firma betreibt drei Standorte (=Baustellen) und durch die Größe werden ähnliche Prozesse (z.B.: Eingabe von Bestellungen im Vertriebsprozess) an allen drei Baustellen durchgeführt.

Die SachbearbeiterInnen können als ArbeiterInnen auf der Baustelle gesehen werden. Da es auf der Baustelle Farbcodes für die Schutzhelme gibt, tragen diese eine gelben Helm. Seit einem Animationsfilm aus dem Jahr 2010 sind Personen mit gelben Helmen auch als Minions bekannt. Diese führen alle Arbeiten auf der Baustelle aus und werden von einer/m VorarbeiterIn (=BenutzerIn mit viel Erfahrung) mit deinem rotem Helm betreut. Bei Bedarf werden SpezialistInnen (=IT) hinzugezogen, welche notwendige Anpassungen und Erweiterungen an der Baustelle vornehmen. Im Prinzip kann das schon als eine fortgeschrittene Methodik des Arbeitens angesehen werden.

Doch nun können folgende Probleme das Arbeiten erschweren:

  • Die Standorte kommunizieren zu wenig miteinander, das führt zu abweichenden Prozessen im System und einer erschwerten Wartung (zum Beispiel ein Update eines ERP-Systems), da in Gebäude A in den Bädern weiße Fliesen aus Marmor verlegt wurden, in Gebäude B aber schwarze Fliesen mit weisen Punkten aus Fayence genutzt wurden.
  • Die SpezialistInnen mit den grünen Helmen, in unserem Schaubild ist das die IT, werden von mehreren Baustellen mit verschiedenen Anforderungen kontaktiert. Für diese MitarbeiterInnen ist es unmöglich abzuschätzen, welche Punkte für das Unternehmen am wichtigsten sind bzw. wird öfters sogar an der selben Aufgabe von zwei verschiedenen ExpertInnen gearbeitet, was zum einen bei fehlenden Richtlinien wieder zu abweichenden Prozessen und zum anderen zur Ressourcenverschwendung führt.
  • Die ArbeiterInnen wenden sich direkt an die IT mit Anforderungen oder Schulungsanfragen. Dies führt unter Umständen wieder zu doppelten oder unnötigen Arbeiten bzw. binden derartige Anfragen wieder Ressourcen, die an anderer Stelle fehlen.
  • Der/die VorarbeiterIn wurde zwar mit der Stelle betraut, es gab aber keinerlei Einschulung oder Betreuung. Dies führt unweigerlich dazu, dass wichtige Aspekte nicht berücksichtigt oder suboptimal umgesetzt werden.
  • Die Anforderungen eines kleineren Standorts (Baustelle 3) gehen unter, das "Windhund-Prinzip" und das entsprechend aggressive Kommunizieren der anderen Poweruser sorgt für Effektivitätsverluste.
  • In der IT-Abteilung treffen Anforderungen ein, die sich nicht in ein wohldefiniertes Gesamtkonzept einordnen lassen und somit möglicherweise zu unnötig hohem Entwicklungsaufwand führen.

Folgende Grafik stellt dies vereinfacht dar:

Abbildung 1: Verdeutlichung der Ineffizienzen bei der dargestellten Arbeitsweise im abstrakten Kontext einer Baustelle

Verbesserter Zustand mit KeyuserInnen

Durch die Einführung von KeyuserInnen, welche die PoweruserInnen koordinieren, kann die Arbeitsweise in der Organisation verbessert werden. Folgende Grafik stellt diese Änderung schematisch dar:

Abbildung 2: Prozessanpassung durch die Einführung von KeyuserInnen

Der Begriff der/des KeyuserIn wird großteils im Kontext von ERP-Projekten genutzt. Dieses Konzept kann in beliebigem Businesskontext genutzt werden. In diesem Fall koordiniert der/die KeyuserIn die Anforderungen und nimmt diese in eine Liste, dem Backlog auf. Dies gewährleistet, dass die richtigen Dinge umgesetzt werden, die Firma arbeitet also effektiv. Die IT kann sich voll und ganz auf ihre Stärke konzentrieren und die Dinge richtig machen, die Prozesse werden nun mit dem Fokus auf Effizienz optimiert.

Einführung des Keyuserkonzepts

Um die Qualität sicherzustellen ist es wichtig eine ordentliche Einführung durchzuführen. Oftmals scheitern nach Erfahrung der Autoren gute Konzepte an einer nicht sachgemäßen Implementierung. Um einige mögliche Stolpersteine aufzuzeigen, wird die Analogie eines LKWs für oben beschriebene drei Baustellen genutzt.

Arbeiter Klaus soll LKW-Fahrer werden. Er wird darüber informiert, dass der LKW voll beladen an der Laderampe steht und, dass er „loslegen“ könnte. Nur hat Klaus im ersten Moment keine Ahnung was zu tun ist. Wo liegt der Schlüssel für den LKW? Zu welcher Baustelle soll er diesen fahren? Welche Strecke ist die Beste?

Daher ist es wichtig im ersten Schritt eine vollumfängliche Stellenbeschreibung zu erstellen. Die potenziellen KeyuserInnen müssen ihre Aufgaben kennen und den nötigen Wissensstand haben um die neue Tätigkeit ausüben zu können. Ebenso ist es wichtig abzuschätzen, wie viel Aufwand diese Tätigkeit mit sich bringt. In einem handelsorientierten Unternehmen wird voraussichtlich in der Domäne „Verkauf und Verteilung“ mehr Aufwand anfallen als in der "Instandhaltung". Daher muss für jeden Bereich eine erste Schätzung abgegeben, die nach Einführung und einem gewissen Zeitfenster in der die Tätigkeit ausgeführt wurde, verifiziert und angepasst werden. Die Spanne kann von 100% Auslastung bis zu 1% (oder weniger) Auslastung pro Monat reichen.

Ebenso ist es wichtig die notwendigen Ausbildungen und Fertigkeiten festzuhalten, denn wenn sich nun Klaus ohne passenden Führerschein in den LKW setzt und noch nie einen LKW gelenkt hat, so wird er sich überfordert fühlen. Daher wird im zweiten Schritt ermittelt, welche Personen für eine derartige Tätigkeit in Frage kommen, welche Lücken es in den jeweiligen Profilen zur Stelle gibt und wie die zeitliche Planung für die Ausrollung ist. Dabei darf nicht auf die notwendigen Soft-Skils der jeweiligen KeyuserInnen vergessen werden, denn diese anspruchsvolle Position erfordert ein breites Fähigkeitenspektrum. Danach wird im dritten Schritt die Ausbildung durchgeführt und Lücken geschlossen.

Der vierte Punkt ist das eigentliche Einführen und erfordert ein angemessenes Change- oder auch Veränderungsmanagement. Eine Erläuterung würde den Rahmen dieses Kurzartikels sprengen, wird jedoch in einem Folgeartikel behandelt werden. Es ist von zentraler Bedeutung Zugänge wie „Was brauchen wir das?“, „Haben wir schon immer so gemacht, wieso jetzt das?“, „Da will die IT nur wieder selber Kosten sparen“ etc. in diesem Kontext aus der Organisation zu verdrängen.

Zu guter Letzt muss der Ansatz „gelebt“ werden. Es ist daher wichtig den fließenden Übergang in das Daily Business mit dem Konzept zu schaffen, sodass es kein Konzept bleibt. Der Keyuser-Lifecycle sorgt für die Nachhaltigkeit des Keyuserkonzepts und wird im Anschluss an dieses Kapitel erläutert.

Folgende Grafik fasst die Eckpunkte zusammen:

Abbildung 3: Implementierung des Keyuserkonzepts

Sicherstellung der Nachhaltigkeit mit dem Keyuser-Lifecycle

Im Personalmanagement wird oftmals der Begriff des Employee-Lifecycles genutzt, um die notwendigen personellen Ressourcen dauerhaft zur Verfügung zu stellen. An dieses Konzept angelehnt kann nun ein Keyuser-Lifecycle definiert und verwaltet werden. Folgende Abbildung stellt die Kernprozesse grafisch dar:

Abbildung 4: Der Keyuser-Lifecycle

Der Lebenszyklus gliedert sich in vier Teile: der Vorstufe (also dem „Recruiting“, „Marketing“), der Aufnahme der Tätigkeit, das Daily-Business und der Abgabe der Tätigkeit.

In der Vorstufe werden vorhandene Stellenbeschreibungen aktualisiert, potenzielle NachfolgerInnen und VertreterInnen ermittelt und die Attraktivität der Stelle gewährleistet. Die Tätigkeit einer/s KeyuserIn ist sehr anspruchsvoll, daher sollten die entsprechenden Personen sehr sorgfältig ausgewählt werden, denn diese tragen wesentlich zum unmittelbaren Erfolg bei Projekten bei.

Bei der Aufnahme der Ausübung wird die Tätigkeit als KeyuserIn offiziell gestartet. Dazu sollte es angemessene Einschulungen, Workshops, etc. geben bzw. sollten auch die Ziele definiert und in späterer Folge gemessen werden.

Mit der Durchführung ist das „Daily Business“ gemeint. Zusätzlich zu den täglichen Agenden ist es wichtig eine ordentliche Vertretungsregelung zu haben bzw. durch ordentliches dokumentieren eine Know-how-Sicherung zu gewährleisten. Ebenso sollte schon eine Nachfolgeplanung durchgeführt werden, da der vierte und letzte Abschnitt mit der Abgabe der Tätigkeit, den Lebenszyklus der/s KeyuserIn beendet.

Schlussbetrachtung

Um effektiv sowie effizient zu Arbeiten ist die Einführung eines Keyuserkonzepts nach Meinung der Autoren unumgänglich. Aufgrund des beschränkten Rahmens des Artikels wurden die angesprochenen Elemente auf abstrakter Ebene dargestellt. Das implementierte Keyuserkonzept kann sehr wirkungsvoll sein, ist für sich alleine aber noch nicht ausreichend. Es müssen weitere Aspekte berücksichtigt werden. Die Umsetzung der Anforderungen des Backlogs kann zum Beispiel in kontinuierlichen Verbesserungsprojekten mit SCRUM umgesetzt werden, um ein Beispiel zu nennen.

Über die Autoren

Mag. Christian Gasperi Markus Rotter, MA

Mag. Christian Gasperi ist seit den 2000ern in der IT tätig und hat in dieser Zeit Erfahrungen mit Business Itelligence, Datawarehousing, Geoinformatik, Datenbanken, IT-Architkur, Systemarchitektur, Projektmanagement und lateraler Mitarbeiterführung gemacht. Markus Rotter, MA ist seit den 2000ern in der IT tätig und hat in dieser Zeit Erfahrungen mit IT-Management, Business Intelligence, Datawarehousing, Datenbanken, Systemadministration, IT-Architekturen, Mitarbeiterführung und Projektmanagement gemacht.
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